Die Dreharbeiten zum Kinofilm „Bergblut“ stellten eine abenteuerliche Herausforderung dar: Ein Film am Berg, an den Originalschauplätzen im Südtiroler Passeiertal, ein Team aus drei verschiedenen Ländern, ein Dreh zwischen Deutschland und Italien, sowie tyrolerisch-bayerische Geschichte vor 200 Jahren und heute.
Regisseur und Drehbuchautor Philipp J. Pamer und Co-Produzent Konrad Pamer haben das Buch zum Film „Bergblut – Eine dokumentarische Reise durch ein Herzblutprojekt“ herausgebracht. Viele noch nie gezeigte Fotos, Hintergrundgeschichten, Drehbuchauszüge, Storyboards und historische Eindrücke wurden hier auf 172 Seiten zusammengefasst.
Das Buch ist auf der Bergblut-Webseite, im ATHESIA Buch-Shop (kostenloser Versand in Südtirol) und auf Amazon.de erhältlich.
Bergblut. Eine dokumentarische Reise durch ein Herzblutprojekt.
172 Seiten, qualitative Fadenbindung, rotes Lesebändchen
24,90 € pro Buch
Gestern war der zweite Vollmond im Jahr 2011. Da ich bereits um 5.30 Uhr aufgestanden bin, um zur Schule zu fahren, war ich an diesem Freitag sehr müde. Nach einer heißen Dusche und einem kurzen Nickerchen am Nachmittag erlangte ich meine Kräfte wieder und habe beschlossen mir den Film Bergblut von Philipp J. Pamer anzuschauen, einem jungen Südtiroler Regisseur, der letztes Jahr das Studium an der Hochschule für Film und Fernsehen in München abgeschlossen hat.
Zuvor habe ich eine alte Bekannte im Turmcafe, dem Szenencafe des Stadt Jugendring besucht, die ich lange nicht mehr gesehen habe und mit der ich ein dunkles Bier trank: den Rosenheimer Bajuwarentrunk der Firma Auerbräu. Das Bier machte Laune und das Gespräch drehte sich mitunter um Andreas Hofer, der 1809 einen Aufstand der Tiroler Bergleute gegen die Fremdherrschaft der Bayern angeleitet hat. Meine Bekannte sagte mir, sie hätte schon so viele Hoferfilme gesehen, dass sie dieser nicht mehr interessiert und so ging ich alleine ins Kino.
Es war aber kein typischer Hoferfilm. Anfangs wird man in die bayrische Fuggerstadt Augsburg hineinversetzt, wo man aus der Sicht der alten Protagonistin das Leben eines jungen Tiroler Schreiners nacherzählt bekommt. Er macht die Lehre, lernt sie als eine Arzttochter kennen und die beiden heiraten im Einvernehmen des Vaters. Sie leben gemeinsam in dem wohlhabenden Haus der Eltern und erwarten in Kürze ein Kind.
Ein Eklat führt dazu, dass der Protagonist aus Tirol einen französischen Gendarmen erschlägt. Bei der Auseinandersetzung wird die werdende Mutter so verletzt, dass sie das Kind verliert. Die beiden fliehen in das Haus der Eltern des Ehemannes nach Tirol. Unbeschreibliche Aufnahmen von den Tiroler Bergpässen nehmen den Zuschauer mit in das Herzland des späteren Aufstand, nach St. Martin im Passeier. Dort gärt zu dieser Zeit die Wut der Tiroler über die grausamen Bayern, aber hoch über den Tälern wehen blau-weiße Fahnen. Tirol ist eingenommen, der Kaiser in Wien empört sich nicht genug.
Die jungen Leute müssen sich mit dem Allernötigsten begnügen und die feine Arzttochter lernt das Arbeiten. Die Gemüter sind wortkarg, hart und haben wenig Humor. Es fehlt beinahe völlig die Liebenswürdigkeit, umso mehr sieht man viel Temperament und eiserne Charaktere. Alle diese Tiroler zeichnet ein starker Stolz aus und eine sture Natur. Die Augsburgerin muss sich zurechtfinden und wird anfangs abgelehnt. Man ist schlecht zu ihr. Die Bayern sind natürlich weiterhin dem Mörder hinterher und das Leben eines Tirolers ist nicht halb so viel Wert, wie das eines französischen Gendarmen. Auf einen fairen Prozess braucht niemand zu hoffen, so halten sich die beiden versteckt. Sie werden von der bayrischen Polizei gesucht und dabei wird der Vater angeschossen. Der Protagonist hat in der Zwischenzeit im Tal die Lieblingsmarmelade seiner Ehefrau besorgt und bekommt nichts von alle dem mit.
Als nächstes tobt der Aufstand, der Ehemann zieht in den Krieg und vertreibt die Bayern. Mit einer durchtrennten Achillessehne kommt er zurück. Er wird gesundgepflegt und hier erst begegnet man Andreas Hofer. Wie der Film ausgeht will ich gar nicht weiter verraten. Ich spreche einzig meine Empfehlung aus.
Was die Bayern den Tirolern angetan haben, haben viele Völker anderen Völkern angetan, auch ihren Nachbarn. Dass sich die Tiroler von dem bayrischen Joch befreien wollten, dass sich der eigene Kaiser in Wien von ihnen abgewendet hat, dass sie die Franzosen später vorübergehend überrannten, ist ein Teil ihrer Geschichte. Schwangere Frauen aus ihren Behausungen herauszuzerren und ihnen die Bäuche aufzuschlitzen, ist mehr als nur Vergeltung. Die Säuglinge auf Bajonetten aufzuspießen und sie stolz zur Schau tragen, ist eine Perversion der menschlichen Natur, die teuer zu büßen kommt. Nicht nur vor Gott dem Herrn, sondern vor allem vor seinen Geschöpfen. Dabei kann man den einen oder anderen Tiroler im Nachhinein verstehen, dass er nicht immer auf die Bayern gut zu sprechen ist. Heute müssen wir uns vertragen, wir sollten es auch wollen. Unsere Zeiten sind anders, offen und frei. Die Welt vereinigt sich und alte Fehden lässt man besser ruhen. Doch Geschichte bleibt Geschichte und Schmerz bleibt Schmerz. Die Tiroler sind stolz und dafür kann man sie nur loben. Ich habe heute noch Tränen in meinen Augen, wenn ich dieses schreibe und jeder Bayer sollte diesen Film gesehen haben. Nicht nur, weil er Teil seiner Geschichte ist, sondern auch weil ihn ein Südtiroler gedreht hat, der in München studierte. Welches Zeichen für eine kulturelle Verständigung ist besser zu deuten? – Dass nichts niemals vergessen werden kann, ist klar. Doch alles ist irgendwann einmal gesühnt, besonders dann wenn sich Völker, die einst befeindet gewesen sind freundschaftlich wieder die Hände reichen.
Die Tiroler wären arme Menschen, wenn es die deutschen Touristen nicht gebe, die große Teile ihrer Wertschöpfung erkaufen. Umgekehrt wäre Deutschland nur halb so glücklich und froh, hätte es nicht die Möglichkeit in den Tiroler Bergen Urlaub zu machen.
Ich schreibe das als Außenstehender, als Pole und Touristiker. Einer der diese Regionen vermarkten will und der zielgruppenspezifisch Menschen als Freunde definiert. Aber ich sehe nicht nur weiße Schafe, weder hier noch drüben und halte meine Augen stets offen – deswegen bin ich dankbar für diesen filmischen Beitrag, wie ich auch dankbar für Michael Forchers Buch, Anno Neun bin. Nun sind die bayrische und Tiroler Geschichte auch Teile meiner Kultur. Und ich sehe mit Freuden meinen ersten Touren im Karwendel entgegen. Das Land Tirol ist ein schönes Land und die Bayrischen Niederungen sind voller Lebenslust und Humor. Vergessen wir niemals den Tiroler Aufstand, egal wer wir sind. Vergessen wir nie die Nostalgie.